Seen.by lässt Wänden sprechen

3. März 2011, keine Kommentare, Kategorie(n): Aktuelles,Background,Life and Style

Was Opernhäuser, Kinosäle und eine marode Art-Déco Villa gemeinsam haben? Sie atmen Vergangenheit und verführen zum Träumen. In opulenten Farben laden sie zur kleinen Flucht aus dem Alltag ein. Auf den Fotos von Bernhard Hartmann. Die gibt es in exzellenten Ausführungen bei  seenby mit wenigen Klicks zu kaufen.

Manchmal wünscht er sich, dass Wände sprechen könnten. Wenn Bernhard Hartmann in einem barocken Theatersaal steht, fragt er sich, welche Dramen sich hier wohl schon abgespielt haben. Liebesschwüre, Tränen, brausender Beifall – all das lassen seine Fotos ahnen. Mit ihrer opulenten Pracht entführen das üppig rote Kino und der Opernsaal im Jugendstil den Betrachter in eine fremde Welt. „Das Spannungsverhältnis zwischen dem leeren, stillen Raum und seiner eigentlichen Bestimmung interessiert mich“, sagt der 55 Jahre alte Fotograf. Damit seine so unterschiedlichen Räume als Serie harmonieren, wählt er immer dieselbe Perspektive, eine zentrale Fluchtlinie, und benutzt ein 17mm Tilt-und-Shift-Objektiv – „eine wahre Offenbahrung“. Hartmanns Häuser erzählen Geschichten, nicht nur von ihren Bewohnern, sondern auch von ihrer Zeit. Was passierte im maroden Treppenhaus der Villa in Havanna? Warum muss man im prunkvollen Bad unter bröckelndem Putz duschen? Womöglich wäre die Patina dieser Art-Deco-Bauten längst dahin, hätte die Revolution sie und ihre Bewohner nicht einfach ignoriert, in der Hoffnung, sie verrotten und verschwinden zu sehen.

Der Glanz vergangener Tage und die Schönheit von heute – damit kann Bernhard Hartmann mehr anfangen als mit dem Trend vieler Magazine, die Welt in Grautönen abzubilden. Was nicht heißt, dass er selbst nicht in Schwarz-Weiß fotografiert. Doch „freud-, lieb- und leblos“, wie er sagt, sollen seine Bilder nicht sein. Folgerichtig sind ihm die großformatigen Fotos von Andrew Moore und Robert Polidori lieber als die Arbeiten von Industriebauten in Becher-Tradition.

Vielleicht liegt es daran, dass er vor zwölf Jahren mit Frau und Tochter aus Frankfurt nach Bayern gezogen ist, ins Land der Schlösser und Paläste. Wahrscheinlich aber weckte schon ein kleines Dia, das er in der Grundschule als Werbung für Haferflocken bekam, seine Vorliebe für das Märchenhafte. „Peterchens Mondfahrt“ wurde da verteilt, anzugucken in einer Laterna Magica und so wunderbar, dass er es ständig bei sich trug. Seine Begeisterung für die Fotografie begleitete ihn bis zu einem Studium an der Frankfurter Staedelschule und sogar darüber hinaus, als er beschlossen hatte, der Kunst lieber ein solides Jurastudium folgen zu lassen. Auch in jener Zeit arbeitete er als Pressefotograf und nahm sich die Zeit, eigene Projekte zu verwirklichen.

Nach wie vor vereint Bernhard Hartmann beides: Er ist als Jurist tätig und unternimmt regelmäßig Reisen, um zu fotografieren und um die eingefahrenen Denkmodelle seines Berufslebens gegen unkonventionelle Begegnungen und Erlebnisse einzutauschen. Dabei bereitet er jede Reise sorgfältig vor. Denn ohne Kontakte findet man weder in Havanna einen Hausbesitzer, der einem vertraut, noch empfiehlt es sich, ohne einheimische Begleitung Miamis Nachtleben zu erforschen. Jazzclubs, Kneipen und Reggaeplätze stehen im Mittelpunkt seiner aktuellen Reise – die Hitze der Nacht, im Gegensatz zum Projekt des Vorjahrs, das den Fotografen bei 14 Grad Kälte in die Straßen von Chicago führte. Passend zur Verszeile des Dichters Robert Frost: „Das Herz verlangt zu suchen, aber die Füße fragen: „Wohin?“ Von den Fotos, die damals entstanden, war die Viewpoint Gallery im kalifornischen Sacramento so begeistert, dass sie gleich eine ganz Ausstellung organisierte (ab. 6. Oktober 2010). Ein Suchender, der Bilder findet, so sieht Hartmann sich selbst. „Und wenn ein Betrachter spürt, was mich im Moment des Fotografierens bewegt hat, wenn sich die Faszination irgendwie übertragt – dann funktioniert das Bild.“

Regine Dee
seen.by

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